Kongress: Neue Wege in der beruflichen Sprachförderung
Frankfurter Forderungen zur beruflichen Sprachförderung
Ergebnisse des Kongresses vom 31.08.2016
Die Brisanz des Themas zeigt die hohe Teilnehmer(innen)zahl des bundesweit einmaligen Kongresses.
Rund 400 Führungs- und Fachkräfte im Personal- und Bildungsmanagement sowie Ausbildungsverantwortliche und Arbeitsmarktakteure aus dem gesamten Bundesgebiet waren hierzu nach Frankfurt am Main angereist.
Berufsbezogene Sprachkenntnisse:
Mehr Angebote und eine bessere Verzahnung von Förderprogrammen notwendig
Um Unternehmen zukünftige potenzielle Fachkräfte zu erschließen, sind berufsbezogene Sprachkenntnisse notwendig. Dieser Aspekt ist in der bisherigen Arbeitsmarktpolitik zu wenig berücksichtigt worden. Dies ist ein Ergebnis der Veranstaltung „Neue Wege in der beruflichen Sprachförderung“. Die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main (IHK) und die GFFB gGmbH hatten Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik dazu eingeladen, neue Wege zum Erwerb und zur Vermittlung der Berufssprache Deutsch aufzuzeigen sowie strategische Ziele zu definieren. In sieben Foren stellten Referent(inn)en Best-Practice-Beispiele vor und erarbeiteten Forderungen zu politischen und bildungspädagogischen Rahmenbedingungen.
Barbara Wagner, geschäftsführende Gesellschafterin der GFFB gGmbH, betonte in ihrem Statement die Notwendigkeit einer Verzahnung beruflicher Kompetenzen mit der Fach- und Bildungssprache im Rahmen von Ausbildungen und Umschulungen. Die Bedeutung des Erwerbs der Bildungssprache werde häufig unterschätzt, sei aber für die Abschlussprüfungen unerlässlich. Zudem fehle es an Sprachförderkräften, die fachsprachliche Inhalte in Verbindung mit der Bildungssprache vermitteln könnten. Insbesondere die zugwanderten Menschen sind die Ressource zur dringend notwendigen Gewinnung von Fachkräften. Daher sollten Angebote die zur Qualifizierung von Fachkräften zwingend ausgebaut werden. Bei der Gestaltung sollte berücksichtigt werden, dass neben der Vermittlung von Fachkompetenz und Fachsprache auch die Bildungssprache erlernt werden muss. Der zeitliche Rahmen der Angebote sollte ermöglichen, dass auch Personen mit Kinderbetreuungsaufgaben die Angebote nutzen können. Karen Hoyndorf, Stellvertretende Präsidentin der IHK Frankfurt am Main, nannte in ihrer Begrüßung eine der Hauptforderungen: „Es muss eine berufsbezogene Sprachförderung in Unternehmen und bei Bildungsanbietern geben. Dazu braucht es mehr Angebote bei Bildungsunternehmen, Zugang zu Materialien und eine bessere Verzahnung von Förderprogrammen von Bund, Land und Kommunen.“ Grund ist, dass mangelnde Sprachkompetenz die Entwicklung gerade von Geflüchteten und Geringqualifizierten zu Fachkräften behindert. Auf diese neuen, jüngeren Fachkräfte sind die Unternehmen jedoch angewiesen, da sie sich nicht mehr allein auf die duale Berufsausbildung und das direkte Rekrutieren am Arbeitsmarkt verlassen können. Aktuell fehlen den Unternehmen im Bezirk der IHK Frankfurt am Main (Stadt Frankfurt, Hochtaunus- und Main-Taunus-Kreis) rund 42.000 Fachkräfte.
Gerade die aktuelle Politik zur Sprachförderung für Geflüchtete habe viele Ansätze zu Tage gebracht, an denen Verbesserungspotenzial besteht. Die zwei wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit Zuwanderern sind derzeit, wie sie Deutsch lernen und wie sie in den Arbeitsmarkt integriert werden können. „Denn wer die Fachsprache seines Berufes nicht kennt, wird sich auf Dauer nur schwer in dieser Arbeitswelt zurecht finden“, sagte Hoyndorf. Mit den Forderungen der Veranstaltung wollen die Veranstalterinnen GFFB und IHK Frankfurt auch Unternehmen für das Thema sensibilisieren. „Wir möchten den Unternehmen aufzeigen, dass mit beruflicher Sprachförderung ein großes Potenzial an zukünftigen Fachkräften zu finden ist“, so Hoyndorf. Es lohne sich, in diese Art von Weiterbildung zu investieren.
Damit berufliche Sprachförderung künftig zur Fachkräftesicherung beitragen kann, haben mehr als 400 Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, Weiterbildungsanbieter/-innen, Politiker/-innen und Wissenschaftler/-innen gemeinsam mit Akteuren der Arbeitsmarktförderung sechs Handlungsfelder für Unternehmen und Politik identifiziert.
Folgende Forderungen wurden von den Mitwirkenden erarbeitet.
- Sprachförderung im Beruf benötigt neue Methoden
Zur besseren Integration von Menschen mit geringen Deutschkenntnissen sind neue Ansätze notwendig, die das Erlernen von Fachkenntnissen mit dem Erwerb von Deutschkenntnissen kombinieren und so zu unmittelbarem Lernen im Betriebsalltag führen. Das Erlernen von Deutsch, Fachkompetenz und der Berufssprache sollte Hand in Hand gehen. Hierzu sollten Fachanleitungen bzw. betriebliche Ausbilder/-innen mit Sprachförderkräften gemeinsam im sogenannten Teamteaching arbeiten, Anbieter/-innen von fachlicher Weiterbildung mit Sprachschulen kooperieren. Unternehmen sollten ihre Fachkräfte mit Führungsfunktion für den Umgang mit Beschäftigten nichtdeutscher Herkunftssprache sensibilisieren. Dies gilt auch für die Lehrkräfte in Berufsschulen.
- Materialien zum Erlernen von Berufssprache notwendig
Für das Erlernen von Fachsprache gibt es bislang nur wenige Materialien, meist im Bereich von Erziehern, Pflege, Handel sowie Hotellerie- und Gastronomie. Sind Materialien im Rahmen von öffentlich geförderten Projekten erarbeitet worden, so sollten diese öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies könnte z.B. zentral über das IQ-Netzwerk erfolgen. Sprachlehrmaterialien, die Situationen im Berufsalltag darstellen, sollten wiederum mithilfe von Fachpraktiker(inne)n erarbeitet werden.
- Sprachförderung an Beruflichen Schulen sollte weiter entwickelt werden
Die Sprachförderung an Beruflichen Schulen sollte nach Lernniveaus differenziert und möglichst in konkrete Handlungssituationen eingebaut werden. Eine Verknüpfung mit Berufspraxis erscheint hierfür sinnvoll. Die Angebote an Beruflichen Schulen für zugewanderte Jugendliche ab 16 Jahren müssen darüber hinaus bundesweit in Förderketten zum Übergang in Ausbildung und Arbeitsmarkt einbezogen werden. Hierfür müssen Land, Arbeitsagenturen und Schulträger gemeinsame Programme entwickeln. Zuwanderte Jugendliche, die in Berufsausbildung übergehen, benötigen eine weitere Förderung von fachlichen Sprachkenntnissen an der Berufsschule. Dies ist Voraussetzung für das Erlernen von Fachsprache und eine erfolgreiche Integration als Fachkraft in die Unternehmen.
- Förderprogramme sollten für die Zielgruppe Zuwanderer erweitert werden
Die bisherige Arbeitsmarktpolitik berücksichtigt bei der Entwicklung von Fachkräften bisher zu wenig die Zielgruppe der zuwanderten Menschen und ihren Förderbedarf. So sollte die Umschulungsdauer ausgedehnt werden, da die bisherige Dauer von zwei Dritteln einer Ausbildungszeit nicht berücksichtigt, dass neben der fachlichen Inhalte auch noch die Berufssprache gelernt und damit die Deutschkenntnisse erweitert werden müssen. Zur besseren Integration von Arbeitslosen sollten diese bei ihren Feststellungmaßnahmen generell auf Eignung und Motivation für ein bestimmtes Berufsbild und auf ihre Sprachlernfähigkeit getestet werden. Die beruflichen Eignungstests sollten auf Zuwanderer ausgerichtet sein. Wichtig dabei ist es, dass Arbeitsagenturen und Jobcenter systematisch den Sprachstand der Erwerbslosen in ihren Datenbanken erheben und abrufbar machen. Zudem wurde betont, dass es wichtig ist spezifische Maßnahme für zugwanderte Frauen anzubieten.
- Berufliche Sprachförderung braucht gleiche Bedingungen wie die allgemeine Sprachförderung
Auf dem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt für Sprachförderkräfte herrschen ungleiche Bedingungen für Honorarsätze. Sprachförderkräfte, die bei der Qualifizierung von zukünftigen Fachkräften einzusetzen sind, erhalten weniger Honorar als diejenigen, die Allgemeinsprache in den Integrationskursen unterrichten. Um die berufliche Qualifizierung nicht zu benachteiligen, sollten zumindest die Bundesbehörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder die Bundesagentur für Arbeit ihre Förderbedingungen angleichen. Dies gilt auch für die Fachanleitungen in diesen ambitionierten Angeboten. Mit den Bundesdurchschnittskostensätzen der Agentur für Arbeit können nicht die entsprechend qualifizierten Fachkräfte gewonnen werden.
- Förderprogramme zur Sprachförderung intelligent zu einem Gesamtförderkonzept verknüpfen
Die bereits jetzt entstehende Angebotsvielfalt auf kommunaler Ebene bei der Sprachförderung für Geflüchtete zeigt, dass Sprachförderung nicht systematisch gedacht ist. Sie sorgt zwar für Wettbewerb um die besten Ideen, aber auch gleichzeitig für unterschiedliche Chancen und Rahmenbedingungen.Um möglichst effizient sowohl Geflüchtete wie auch schon seit längerem zugewanderte Menschen fördern zu können, müssen Bund, Länder, Arbeitsagenturen und Kommunen gemeinsam Förderketten entwickeln. Dabei muss von den unterschiedlichen Zielgruppen, d.h. von ihrem jeweiligen Schulabschluss beziehungsweise Berufs- oder Beschäftigungsstatus, ausgegangen werden, nicht von der jeweiligen Förderinstitution. Ehrenamtliche Sprachförderung kann nur begleiten und darf nicht subsidiär angesetzt werden.
Mehr zu dem Kongress "Neue Wege in der beruflichen Sprachförderung" finden SIe hier.