Fachveranstaltung: Das bisschen Haushalt 23.05.2017

Auf der Fachveranstaltung wurde mit Expert*innen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung über die Novellierung des Berufsbildes Hauswirtschafter/in sowie die geringe Wertschätzung der Sorgearbeit, deren gesellschaftliche Folgen und mögliche Lösungen diskutiert.

Ergebnisse der Fachveranstaltung

Die GFFB gGmbH und das PQHD Kompetenzzentrum der Justus-Liebig-Universität Gießen hatten am Dienstag, den 23.5.2017 Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und Wissenschaft zur Fachveranstaltung „Das bisschen Haushalt…? – Herausforderungen an Sorgearbeit im Kontext demografischer Wandlungsprozesse“ ins Casino der Goethe-Universität in Frankfurt am Main eingeladen.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Barbara Wagner, der Geschäftsführerin der GFFB gGmbH, Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, der wissenschaftlichen Leitung des Gießener Kompetenzzentrums PQHD, und der parlamentarischen Staatsekretärin des BMFSFJ, Frau Elke Ferner.

In ihrer Ansprache benannte die Staatssekretärin besonders die hohe Anzahl an nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten als Entwicklungshemmnis im Berufsfeld der haushaltsnahen Dienstleistungen. Ziel neuer Instrumente sollte es sein, den wachsenden Arbeitsbereich dahingehend zu fördern, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmer/-innen entstehen. In diesem Zusammenhang führte sie beispielhaft die bestehenden Modelle aus Belgien und Frankreich an.

Staatssekretärin Ferner forderte die Entwicklung eines deutschen Modells, das insbesondere eine faire Bezahlung, soziale Absicherung und existenzsichernde Arbeit gewährleistet. Zuschüsse, die der Staat für das Erreichen dieser Ziele zur Verfügung stellt, sollen dazu führen, dass Personen in den prekären Beschäftigungsverhältnissen eines grau-schwarzen Marktes in existenzsichernde Beschäftigung einmünden.

 

In 6 Statements wurden Problematiken und Lösungsansätze des Berufs Hauswirtschafterin/Hauswirtschafter und der haushaltsnahen Dienstleistungen aus unterschiedlichen Perspektiven vertieft.

 

Zunächst referierte Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe über gleichstellungspolitische Ziele und deren Einflüsse auf andere sozio-ökonomische Teilbereiche. Anhand des Gleichstellungsgutachtens der Bundesregierung zeigte sie den Einflussbereich der Ungleichbehandlung und die damit verbundenen Probleme auf. Es gehe um eine geänderte Arbeitsteilung in den Familien und insbesondere in den Paarbeziehungen, weg vom Familienernährer, Zuverdienst- und Doppel-Vollzeitmodell hin zu einem Erwerb-und-Sorge-Modell. Sie betonte das Gender Care Gap, die Problematik der unbezahlten Care-Arbeit in den Privathaushalten und die wachsende Bedeutung der SAHGE-Berufe.

Barbara Wagner äußerte sich zur hohen Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnissen im Arbeitsmarkt und forderte eine stärkere Orientierung der Arbeitsmarktinstrumente an den Voraussetzungen der arbeitsuchenden Personen, um mehr Fachkräfte zu gewinnen. Als ein geeignetes Instrument stellte sie das vom ESF, Land Hessen und Jobcenter Frankfurt geförderte Modellprojekt „Kulturwandel im dualen Bildungssystem“ vor. In einer Teilzeitumschulung mit berufsqualifizierter Sprachförderung und sozialpädagogischer Begleitung werden zugewanderte Frauen mit einem Sprachniveau B1 befähigt, den Berufsabschluss zur Hauswirtschafterin zu erreichen.

Über die Position der Sorgearbeiter*innen in den globalen Versorgungsketten der häuslichen Pflege referierte Prof. Dr. Lutz. Sie hob hervor, dass die Pflegekrise in Deutschland nur bedingt wahrgenommen wird, da die Versorgungslücken durch (weibliche) Angehörige und Migrantinnen aufgefangen werden. Diese verlassen ihre Herkunftsländer und ihre Familien, und hinterlassen dort ebenfalls Betreuungslücken. Dadurch werden Versorgungsketten notwendig. Zuletzt kritisierte sie die Duldung des deutschen Staates, der diese irregulären Arbeitsbedingungen toleriert.

Prof. Dr. Bernhard Emunds verwies in seinem Beitrag auf die ethischen Problematiken in der häuslichen Pflege. Er thematisierte insbesondere die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in der Sorgearbeit. Dies gelte vor allem für Mittel- und Osteuropäerinnen in der sogenannten 24-Stunden Pflege. Diese Verhältnisse können lediglich durch eine basale Regulierung der Arbeitszeit und ggf. durch eine konditionierte Förderung verbessert werden.

Als Vertreter der DIHK präsentierte Herr Simon Grupe den Eckdatenentwurf zur Novellierung des Berufes Hauswirtschafter*in. Er verwies auf die sinkenden Ausbildungszahlen und die fehlende Attraktivität des Berufs sowie die heterogene Struktur der Prüfungsinstanzen. Um einen Wandel in der Wahrnehmung des Berufsbildes zu bewirken, sei vor allem die Aufnahme neuer/aktualisierter Ausbildungsinhalte sowie eine stärkere Kompetenzorientierung erforderlich. Ziel einer Neuordnung sei die Untergliederung der Ausbildung in drei Kompetenzbereiche (Personenbetreuende Dienstleistungen, Serviceorientierte Dienstleistungen und ländlich-agrarische Dienstleistung).

Ergänzend dazu stellten Dr. Alexandra Brutzer und Prof. Dr. Julia Kastrup in der letzten Kernthese die Anforderungen der Profilschärfung der Ausbildung für ein zukunftsfähiges Beschäftigungsfeld dar. Unter Berücksichtigung der sog. Profiltreiber (Dualer Kernberuf, generalistisches Profil, Entwicklungschancen, Innovationsbereitschaft u.v.m.) und Profilhemmnisse (Bsp. Image/Kompetenz-Zuschreibung, Druck durch Schwarzarbeit, ungünstige Lernausgangslagen) hoben sie besonders die Inklusion, die Nachhaltigkeit sowie die Kompetenzorientierung für eine erfolgreiche Anpassung des Berufsbildes hervor.

Nach einer anregenden kabarettistischen Einlage von Stefani Kunkel wurden die Kernthesen in einem Worldcafé in anregenden Diskussionen vertieft und die wesentlichen Diskussionspunkte in der abschließenden Podiumsdiskussion aus den Worldcafés benannt.

Im Rahmen der Abschlussdiskussion wurden u. a. zwei wichtige Stellschrauben für eine von allen Diskuntaten als notwendig erachtete Aufwertung des Berufsfeldes Hauswirtschaft benannt: Sprache und deren praxisnahe Vermittlung sowie die Förderung der Motivation, diesen modernen, vielfältigen Dienstleistungsberuf zu ergreifen. In diesem Kontext wurde erneut das Modellprojekt der GFFB mit seiner laut Simon Grupe wertvollen Methodik als positives Beispiel erwähnt. Das Projekt bereitet Migrantinnen auf einen Berufsabschluss zur Hauswirtschafterin im Rahmen einer Teilzeitumschulung vor. Wesentlicher Bestandteil der Qualifizierung ist eine berufsqualifizierte Sprachförderung, d. h. eine Kombination von fachlichem und sprachlichem Lernen. Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe merkte hierzu an, dass derartige Modellprojekte künftig regelhaft angeboten werden sollten, hiervon sei man aber leider noch weit entfernt, aber man habe sich gemeinsam auf den Weg gemacht. Allgemeiner Konsens herrschte, wie bereits erwähnt, über die dringend notwendige Lobbyarbeit für die Hauswirtschaft und die Betonung des wichtigen Mitwirkungsauftrages der gut ausgebildeten Hauswirtschafter/-innen im Rahmen der Pflegearbeit, die trotz ihrer Erfahrung und Qualifikation oftmals nur als Hilfskräfte in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig seien.

Die gute Versorgung in den Kaffeepausen wurde durch die Teilnehmer/-innen im GFFB-Modellprojekt „Kulturwandel im dualen Bildungssystem“ gewährleistet.